Danger Dan - "Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt"

Lieber Daniel, wie geht es dir? Du hast mit deinem Klavieralbum „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt” gerade einen ziemlichen Überraschungserfolg hingelegt.

Danke, mir geht es gut. Die letzten Wochen hatten eine recht hohe Ereignisdichte, das war auch ein bisschen stressig zwischendurch. Aber alles in allem war es positiver Stress. Vor allem freue ich mich einfach, dass ich es endlich geschafft habe, ein Klavieralbum rauszubringen.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Du warst schon als Kind sehr musikalisch, oder?

Mein Bruder Tobi, auch bekannt als Panik Panzer von der Antilopen Gang, und ich kommen aus einem sehr musikalischen Elternhaus. Unsere Mutter hat sich immer viel Zeit genommen, mit uns Gitarre zu spielen und zu singen. Und unser Vater hat in einer Polit-Rockband gespielt. Irgendwann habe ich als Kind auf dem Dachboden ein Akkordeon gefunden, damit habe ich mir ein paar Melodien beigebracht und sie meinen Eltern abends vorgespielt. Das war der Moment, in dem unsere Eltern begriffen, dass es ein Talent gibt, das gefördert werden muss. Irgendwo haben sie dann ein Klavier und einen Klavierlehrer aufgetrieben. So ging es los.

Irgendwann müssen du und Panik Panzer dann angefangen haben, HipHop zu machen.

"Irgendwo haben sie dann ein Klavier und einen Klavierlehrer aufgetrieben" – Danger Dan mit 13 Jahren am Klavier

Ich erinnere mich, dass irgendwelche Freunde unserer beiden großen Brüder eines Tages mit den ersten HipHop-Tapes ankamen. Klingt ein bisschen romantisiert, aber tatsächlich haben wir HipHop von Anfang an als etwas begriffen, bei dem man sich kreativ einbringt und nicht einfach nur konsumiert. Wir hatten einige Graffitisprüher in unserem Umfeld, sind auf Jams gefahren und haben alles Mögliche selbst mal ausprobiert. Züge anmalen war nicht mein Talent, also habe ich sehr schnell angefangen zu rappen. Als ich meine ersten Freestyles aufgenommen habe, hatte ich noch niemals ein Rap-Album gehört, sondern nur diese Kassetten, die uns die Freunde meiner Brüder überspielt hatten und die man sich gegenseitig weitergab. Zuerst haben wir auf Instrumentals von irgendwelchen bekannten Rappern aus Frankreich oder den USA gefreestylt. Damals, in den Neunzigern, konnte man nicht einfach Produzenten anschreiben, die einem dann ein Beatpaket geschickt haben, aus dem man wählen konnte. Auch Aufnahmetechnik war überhaupt nicht erschwinglich. Digitale Musikproduktion war noch in den Kinderschuhen und richtige Hardware hätten wir uns nicht leisten können. Ungefähr als ich 18 war, hatten wir dann unseren ersten Computer zuhause. Als Allererstes haben Panik Panzer und ich dann Musikprogramme installiert und angefangen, selbst Beats zu produzieren. Bis heute sind die meisten Produktionen der Antilopen Gang von uns beiden gebastelt.

Mitte der 2000er warst du auch Keyboarder in der Reggaeband Jin Jin. Ihr wart mit dem Sänger Sebastian Sturm unterwegs, habt einige Alben aufgenommen und Touren gespielt. Erzähl doch mal ein bisschen aus der Zeit.

Danger Dan als Keyboarder auf dem Reggae Sun Ska 2012

Sebastian Sturm war in Aachen mal mein Nachbar gewesen. Irgendwann habe ich ihn auf der Straße getroffen und er meinte, er habe jetzt einen Plattenvertrag und müsse bald mit einer Band auf Tour gehen, suche aber noch einen Keyboarder. Er fragte mich, ob ich Bock darauf hätte, und obwohl ich überhaupt keine Ahnung von Reggae hatte, habe ich sofort zugesagt. Die anderen in der Band waren alte Roots Reggae-Veteranen, da bin ich durch eine harte Schule gegangen. Erlaubt war nur das, was die Wailers auch gemacht hätten.

Dieser ganze moderne Scheiß war verboten.

Wir haben dann viele Jahre zusammen viele hundert Konzerte in ganz Europa und besonders in Frankreich gespielt. Ich habe Reggae damals total lieben gelernt. Die harte Schule von damals habe ich bis heute beibehalten – Modern Roots ist für mich das Schlimmste und der ganze Dancehall-Scheiß macht mir Kopfschmerzen. Mir kommt nur gute Roots-, Rocksteady- und Skinhead-Musik ins Haus. Eine Hammond B3 ist eine Orgel und lässt sich nicht durch Computerprogramme ersetzen.

Gleichzeitig hast du damals aber auch schon Rap-Musik mit deinen heutigen Bandkollegen Koljah und Panik Panzer gemacht, oder?

Ja, gleichzeitig hatten wir auch schon die Anti-Alles-Aktion gegründet, aus der später die Antilopen Gang hervorgegangen ist. Für mich war das tatsächlich oft nicht einfach. Einerseits war ich professioneller Musiker und hab auf den größten europäischen Festivals die Headliner-Slots gespielt. Andererseits stand ich dann im nächsten Moment mit Koljah, Panik Panzer und NMZS (Gründungsmitglied der Antilopen Gang, nahm sich 2013 das Leben; Anm. d. Red.) auf der Bühne eines Autonomen Zentrums. Dort mussten wir uns zwei Mikrofone teilen und statt eines Soundchecks haben wir einfach nur Vorsaufen gemacht. Viele Antilopen Gang-Konzerte habe ich auch geschwänzt, weil mir das alles zu chaotisch war. Ganz aufhören wollte ich damit aber nie. Vermutlich mehr wegen der Freundschaft als wegen der Musik.

Danger Dan am Klavier, unterstützt von seinen Antilopen Gang-Kollegen Panik Panzer und Koljah

Foto Anne Wilk

Bei Antilopen-Konzerten hast du auch damals bereits kleine Klaviereinlagen gehabt. Schon 2008 hast du einen Rap-Song namens „Klavierspieler” veröffentlicht, in dem es darum geht, dass rappen dich langweilt und du eigentlich nur Klavierspielen möchtest: „Rappen ist nicht schwierig, es gibt hunderte MCs / Aber irgendwo tief in mir schlummert ein Genie”. Hast du gerade musikalisch zu dir selbst gefunden?

Da bin ich mir nicht so sicher. Ich bin ja musikalisch überall und nirgends zu Hause. Privat höre ich immer noch am liebsten Skinhead-Reggae. Liedermachermusik, wie ich sie mit meinem neuen Album gemacht habe, höre ich selbst eigentlich nie. Es stimmt aber natürlich, dass ich schon fast mein ganzes Leben Klavier spiele. Da lag es irgendwie immer auf der Hand, dass ich daraus irgendwann mal was machen würde, das über die üblichen Showeinlagen bei Antilopen-Konzerten hinausgeht.

War dir also schon lange klar, dass du mal so ein Album machen willst? Warum kam es dann erst jetzt, nach all den Jahren?

Ich kann gar nicht sagen, ob ich schon immer dezidiert vorhatte, ein Klavieralbum zu schreiben. Vielleicht immer wieder mal. Und dann habe ich phasenweise wieder überhaupt kein Klavier mehr gespielt. Seit 2014, als wir den Plattenvertrag bei JKP unterschrieben, drehte sich bei mir eigentlich alles nur um die Antilopen Gang, also um Rapmusik. Letztes Jahr hatten wir dann plötzlich überhaupt keine Termine mehr, wir wissen ja alle warum. Da hatte ich plötzlich ganz viel Zeit, Klavier zu spielen. Irgendwann im Laufe des Jahres hatte ich dann so viel geübt, dass ich dachte: „Eigentlich hast du hier schon ein halbes Album, setz dich auf deinen faulen Arsch und mach das fertig!”. Und dann ging’s irgendwie von selbst.

Deinen Song „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt” hat ganz Deutschland mitbekommen. Woran liegt das? Hast du mit so einer Resonanz gerechnet?

Tatsächlich ist dieser Song derjenige, der von allen Songs, die ich je geschrieben habe, die bisher größte Aufmerksamkeit bekommen hat. Aber ich weiß nicht, ob das auch der künstlerische Höhepunkt meines Schaffens war. Insofern glaube ich nicht, dass die Aufmerksamkeit an der wunderschönen Melodie oder meiner engelsgleichen Stimme liegt. Die meisten Leute dürften sich eher vom Inhalt angesprochen gefühlt haben.

Welche Reaktionen waren besonders absurd oder unerwartet?

Gute Frage, das kann ich gar nicht sagen. Irgendwie passieren gerade jeden Tag irgendwelche absurden Dinge. Ich habe zum Beispiel ein Lied geschrieben, in dem es um eine Schule geht, von der ich vor vielen, vielen Jahrzehnten mal geflogen bin („Ingloria Victoria”, Anm. d. Red.). Ich habe in dem Lied erwähnt, dass ich mittlerweile im Wikipedia-Artikel dieser Schule als berühmter Schüler geführt werde. Das Lied macht sich einfach ein bisschen lustig darüber. Zumal ich auf der Schule nicht wirklich willkommen war und auch rucki zucki wieder runtergeflogen bin. Die Reaktion auf mein Lied war nun, dass mein Name von der Wikipedia-Seite einfach wieder gelöscht wurde. Ich bin tatsächlich zweimal von derselben Schule geflogen. Das muss man erst mal schaffen.

Du spielst nächstes Jahr große Konzerte in renommierten Theater- und Konzertsälen. Bist du in der Hochkultur angekommen?

Die Unterteilung in Hochkultur, Subkultur, Leitkultur, oder wie auch immer all diese Kulturen heißen mögen, finde ich oft sehr dumm. Darum weigere ich mich auch, hier jetzt irgendwie zu erzählen, ich sei in der Hochkultur angekommen. Wenn man sich die Geschichte dieser alten Theaterhäuser und -säle mal anschaut und sich im Kontext der Zeit anschaut, welche Leute dort früher stattgefunden haben, dann glaube ich, dass dort mehr Punk-Spirit drin ist, als es die konservativen Dauerkartenbesitzer wahrhaben wollen. Die am meisten aufgeführten Autoren in Deutschland sind Georg Büchner und Bertolt Brecht. Die sind inhaltlich gar nicht so weit weg von Slime mit „Deutschland muss sterben, damit wir leben können“.

Warum eigentlich diese Gelfrisur? Ist das auch Punk?

Die Gelfrisur habe ich mir von dem mit Abstand schönsten Mann im gesamten JKP-Umfeld abgeguckt. Die Rede ist natürlich von Sammy von den Broilers. Als Nächstes brauche ich noch seinen Bizeps.

Klassentreffen mit den Broilers, von links nach rechts: Panik Panzer, Patrick Orth (JKP Geschäftsführer), Sammy Amara (Broilers), Unbekannter im Hintergrund, Koljah, Andi Brügge (Broilers) & Danger Dan auf dem Ruhrpott Rodeo 2015

Sammy hat an dieser Stelle neulich erzählt, dass er häufiger für einen Rapper gehalten wird. Wie ist es eigentlich mit dir, hast du jetzt überhaupt noch Lust zu rappen?

Ich muss zugeben, ich habe gerade überhaupt keine Lust zu rappen. Allerdings glaube ich, dass ich noch nie Lust hatte zu rappen. Ich habe aber Lust, etwas mit der Antilopen Gang zu machen. Wir sind nun mal eine Gang. Wie ein altes Ehepaar, das sich immer noch liebt. Am Ende ist es scheißegal, was man macht, wenn man es mit den richtigen Leuten macht. Andersrum wäre es unerträglich, etwas zu machen, auf das man Bock hat, wenn man das dann mit irgendwelchen random Idioten machen müsste. Mit der Antilopen Gang würde ich alles Mögliche machen und es würde Spaß machen. Ich hatte ja vorgeschlagen, dass wir statt Rap einfach einen Bratwurststand aufmachen, aber Panik Panzer und Koljah wollen leider keine Bratwurst braten. Daher werde ich bald auch wieder rappen müssen.

Und was halten Panik Panzer und Koljah von deiner Solokarriere?

Die beiden lieben meine Solokarriere, sie sind doch meine Labelbosse. Die fahren die ganze Zeit schubkarrenweise das Geld meiner Solokarriere auf unser Bandkonto. Die Antilopen Gang war auch schon immer ein Verbund, der über ein Bandgefüge hinausgeht. Wir haben alle immer auch in anderen Konstellationen Platten gemacht, oder Soloplatten. Dabei unterstützen wir uns gegenseitig, davon hat die Gang bislang immer profitiert. Meine angebliche Solokarriere fühlt sich daher auch eher an wie ein neues Antilopen Gang-Kapitel. Irgendwie ist es auch eine Veröffentlichung von Koljah und Panik Panzer.

Danger Dan mit der Antilopen Gang bei Rock im Park 2018

Ihr habt dein Album mit eurem eigenen Label Antilopen Geldwäsche veröffentlicht. Was bedeutet das konkret für euch?

Von den Hosen lernen, heißt siegen lernen. Wir haben in den letzten Jahren eine Art Ausbildung bei JKP gemacht und sind den Leuten nach wie vor freundschaftlich verbunden. Aber mit meinem Album haben wir das gemacht, was die Hosen auch gemacht hätten.

Im besten Fall bauen wir Antilopen Geldwäsche nun zu einem hochprofessionellen Label aus und signen dann irgendwann eine völlig bekloppte, unbekannte Punkband.

Die wiederum entpuppt sich dann im Laufe der Jahre als Thronfolger der Toten Hosen, gründet ihr eigenes Label und signt dann drei verwahrloste Rapper, die sie irgendwo auf der Straße aufgesammelt haben. Dieses Perpetuum mobile dreht sich dann so lange weiter, bis endlich dieser Planet in einem schwarzen Loch verschwindet.

Was steht davor bei der Antilopen Gang als Nächstes an?

Was als Nächstes ansteht, können wir auch nicht genau sagen. Immer, wenn wir uns Pläne machen, kommt irgendetwas dazwischen, passiert irgendetwas Unerwartetes. Ich bin ein wenig besorgt, weil unsere Alben immer die Zukunft vorausgesagt haben. Auf „Abbruch Abbruch” folgte eine Pandemie. Ich weiß nicht genau, was in den nächsten Monaten passiert, aber wenn wir mit einem neuen Album lostigern, dann sollte es „Weltfrieden” oder wenigstens „Eigentumswohnung” heißen.