Du bist als Sohn eines Diplomaten in Bonn aufgewachsen. Was hat deine Eltern von Ghana nach Deutschland verschlagen?

Meine Eltern sind Anfang der 60er Jahre zuerst nach England gezogen und sind 1963 zum ersten Mal nach Bonn gekommen. Mein Vater hat dann beantragt, in Deutschland bleiben zu können, weil er das deutsche Schulsystem gut fand. 1965 war ich dann der Fünftgeborene von insgesamt sieben Geschwistern: vier Mädels, drei Jungs. Wir haben dann mit den anderen Diplomatenkindern immer auf der Straße gespielt: Hockey mit den Pakistanis und Indern sowie Baseball mit den Amerikanern. Und ich bin dann nach meiner Bundesliga-Karriere auch Diplomat geworden (lacht). Ich habe ja anschließend noch in vielen verschiedenen Ländern Fußball gespielt.

Wie hat deine Fußball-Karriere begonnen?

Als ich 15 Jahre alt war, habe ich noch beim 1. FC Ringsdorf-Godesberg in Bonn gespielt und bin entdeckt worden, von Christoph Daum. Er war dann mein Trainer in der B- und A-Jugend und hat mich stark gefördert. Ich hätte ihn mir jetzt auch sehr gut als Bundestrainer vorstellen können. Der hätte sicherlich sehr viel beim DFB verändert und damit Erfolg gehabt. Und welcher Mensch hat keinen Makel? Phil Jackson, der große NBA-Trainer von den Chicago Bulls und Los Angeles Lakers, war Alkoholiker. Baseballer, die in den USA drogenabhängig sind, gehen in die Rehabilitation, kommen wieder - und werden noch mehr gefeiert: In Deutschland gibt es diesen Comeback-Effekt aber leider nicht.

Tony und Campino bei der "FuJuMa"-Aufzeichnung (Foto: Christof Wolff)

Unter dem Jugendtrainer Christoph Daum hast du mit 18 Jahren den Sprung zu den Profis geschafft...

Von dem kleinen Klub in Godesberg direkt zum 1. FC Köln, das war schon eine ziemliche Umstellung für mich. Es war vorher auch nie mein Ziel gewesen, Bundesliga-Profi zu werden. Ich hatte parallel immer relativ erfolgreich Basketball gespielt. Dann sagte mir Christoph Daum aber in einem Trainingslager in Mallorca, dass ich auf der Liste der Profimannschaft stehe und es schaffen könnte. Der damalige FC-Trainer Rinus Michels fand mich irgendwie gut. Ich habe dann mit 18 Jahren direkt zwei Bundesliga-Spiele bestritten, in einer Mannschaft mit Spielern wie Toni Schumacher, Pierre Littbarski oder Klaus Allofs.

Ich habe dann mit 18 Jahren direkt zwei Bundesliga-Spiele bestritten, in einer Mannschaft mit Spielern wie Toni Schumacher, Pierre Littbarski oder Klaus Allofs.

Was konntest Du damals von diesen Stars lernen?

Ich habe gelernt, dass es nicht reicht, ein Talent zu sein. Man muss auch mental stark sein, mit dem Druck umgehen können. Toni Schumacher war jemand, der sich alles selbst erarbeitet hatte - und das auch von den anderen Spielern einforderte. Der hat mich im Training die ganze Zeit angebrüllt. Irgendwann habe ich ihn mal gefragt, was das soll. Und er hat geantwortet: "Tony, das mache ich nur, weil ich viel von Dir halte. Du siehst anders aus und deshalb wirst Du immer doppelt so gut sein müssen wie die Anderen." Da hat es bei mir Klick gemacht. Nach den ersten Spielen war ich auch schon mal ins Nachtleben abgetaucht. Jetzt suchte ich wieder die fußballerische Herausforderung und wechselte nach Oberhausen, um in der 2.Liga Spielpraxis zu sammeln.

Tony Baffoe zeigt "Wiggerl" Kögl vom FC Bayern, was eine Grätsche ist! (Foto: Pressebilderdienst Horstmüller GmbH)

Nach weiteren Zweitliga-Stationen bei den Stuttgarter Kickers und Fortuna Köln bist Du 1989 in Düsseldorf gelandet. Wie kam es zu diesem Wechsel?

Nachdem ich mit den Stuttgarter Kickers im Pokalendspiel gestanden hatte und Christoph Daum mittlerweile Profi-Trainer geworden war, stand ich immer wieder mal im Kontakt mit dem FC. Die hatten aber schon drei ausländische Spieler, und ich wollte meine ghanaische Staatsbürgerschaft nicht aufgeben. Es war dann beim Warmlaufen vor dem Spiel Fortuna Köln gegen Fortuna Düsseldorf, dass mich der damalige Düsseldorfer Trainer Aleksandar Ristic ansprach: "Zauberer, gehst Du jetzt nach Hamburg oder nicht?" Ich war damals gerade als Nachfolger von Manni Kaltz beim HSV im Gespräch und antwortete, dass ich es noch nicht wisse. Da sagte Ristic zu mir: "Wir werden aufsteigen, Ihr werdet nicht aufsteigen, dann kommst Du nach Düsseldorf!" Wir haben die Partie danach zwar ganz klar mit 4:1 gewonnen, haben unseren großen Vorsprung aber noch verspielt, so dass Ristic Recht behalten sollte. Und kurze Zeit nach dem letzten Spieltag klingelte bei mir das Telefon...

Die Hosen haben sich damals an Deiner Ablösesumme beteiligt, was sie aus der "Fortuna-Mark" finanzierten, die sie bei einer Tour einbehalten hatten.

Es fehlte wohl noch etwas Geld für meinen Transfer. Und dann kamen die Hosen ins Spiel. Es entstand dabei die Idee, dass den Hosen dafür mein rechtes Bein gehört. Und ich fand klasse, dass das nicht einfach ein PR-Gag einer bekannten Band war, sondern dass die Jungs wirklich dahinter standen. Es ist ja ein Wahnsinn, wie die hinter ihrem Verein und hinter ihrer ganzen Stadt stehen! Die fanden mich damals als Spieler gut, und ich habe mich dann auch mal mit ihren Texten befasst, die sehr gut die unterschiedlichen Charaktere in der Band widerspiegeln. Die Jungs sind dann auch immer wieder mal in der Kabine vorbei gekommen, wenn es eine neue Platte oder ein neues Video gab. Damals war ja auch noch Trini Trimpop dabei, eine irre Type.

Wie hat Dir die Zeit in Düsseldorf ansonsten gefallen?

Ich hatte anderthalb sehr gute Jahre und ein letztes, das weniger gut war. Da sind wir aus der Bundesliga abgestiegen und sechs Spieler sind suspendiert worden, ich eingeschlossen. Wir waren vom sehr guten Trainer Ristic einfach zu verwöhnt gewesen. Mit seinem Nachfolger Pepi Hickersberger bin ich auch schon mal aneinander geraten. Nach einer hohen Niederlage in einem Freundschaftsspiel, in dem ich sehr schlecht gespielt hatte, musste ich hinterher in der Zeitung lesen, dass der mich wegen meiner angeflochtenen Dreadlocks kritisiert hatte. In der Teambesprechung am nächsten Tag hat er mir dann auch gesagt, dass er die Frisur nicht mehr sehen will. Da habe ich zu ihm gesagt: "Schauen Sie sich doch mal selbst an! Ihr Anzug ist so hässlich!" Ich wollte ihm damit klar machen, dass ich es akzeptiere, wenn er meine Leistung kritisiert, aber nicht, wenn er mich persönlich angreift.

Du hast im Laufe Deiner Profikarriere alle Höhen und Tiefen kennen gelernt...

Ein Tiefpunkt war sicherlich der Abstieg mit der Fortuna, auch weil ich als einer der Mitschuldigen ausgemacht wurde. Ein anderer war der aufkeimende Rassismus in den Bundesliga-Stadien, obwohl ich im Vergleich zu Tony Yeboah und Souleyman Sane noch glimpflich davon gekommen bin. Da gab es diese Affengeräusche, und es wurden Bananen nach uns geworfen. Da habe ich mich dann natürlich auch mehr als einmal gefragt, ob ich mich in diesem Land noch wohl fühlen kann.

Bei Fortuna hinter der Bande: Tony Baffoe mit Marcello Carracedo (Foto: Pressebilderdienst Horstmüller GmbH)

Du bist ja immer sehr offensiv mit dem Thema Rassismus umgegangen. Zu einem Schiedsrichter hast Du mal gesagt: "Wir Schwarzen müssen doch zusammenhalten" und zu einem pöbelnden Zuschauer: "Du kannst auf meiner Plantage arbeiten!"

Diese Sätze wirken zwar auf den ersten Blick sehr humorvoll, da steckte aber jede Menge Ironie dahinter. Ich wollte die Rassisten mit ihren eigenen Waffen schlagen. Und ich habe damals schnell kapiert, dass ich eine große Rolle für meine schwarzen Brüder in der Bundesliga spielte, die sich nicht so artikulieren konnten wie ich. Ich habe da wohl einige Türen geöffnet. Die Schwarzen, die heute in der Bundesliga spielen, haben den Vorteil, dass mittlerweile fast jeder Klub einen in seinem Team hat und die Rufe dadurch automatisch ausbleiben. Und die Schwarzen tragen jetzt fast alle eine Frisur wie ich früher und keiner sagt mehr was dagegen (lacht). Ich glaube, dass ein Afrikaner aber nach wie vor besser spielen muss als ein Deutscher.

2003 hast Du stellvertretend für die Organisation "Football Against Racism in Europe" (FARE) einen Preis für den Kampf gegen den Rassismus entgegen genommen.

Der Preis wurde FARE für ihre Arbeit zuerkannt, aber die wollten, dass ich den entgegen nehme und eine Rede halte. FARE hat mittlerweile Büros in fast allen europäischen Ländern und einmal im Jahr findet eine antirassistische Weltmeisterschaft in Italien statt. Hätte es eine Organisation wie FARE in den 80ern gegeben, wäre es für mich und andere schwarze Spieler bestimmt leichter gewesen. Mittlerweile gibt es in den Stadienordnungen sogar Paragraphen, dass bestimmte Lieder nicht mehr gesungen werden dürfen. Das ist ein großer Fortschritt, müsste in manchen Städten nur auch mal konsequenter angewendet werden! Es gibt aber immer noch viel zu tun, gerade in den osteuropäischen Ländern.

Bei Fortuna auf dem Trainingsplatz: Bernd Klotz, Tony Baffoe und Uwe Fuchs (Foto: Pressebilderdienst Horstmüller GmbH)

Du bist Anfang der 90er Jahre nach Frankreich gewechselt und hast damit Deine Karriere als "Fußball-Diplomat" gestartet...

1992 habe ich im Senegal erstmals am Afrika-Cup teilgenommen. Und wir waren mit mehreren Mannschaften im selben Hotel untergebracht. Wie die Spieler dort miteinander umgegangen sind, hat mich schwer beeindruckt. Und von da an hatte ich nur noch das Ziel, einmal mit Schwarzen in einer Mannschaft zu spielen. Deshalb bin ich kurz darauf nach Frankreich, zum FC Metz, gewechselt und wurde da schon nach drei Monaten zum Kapitän gewählt. Ich habe dort zentral in der Abwehr gespielt, und das damals mit und gegen so große Spieler wie Zidane, Pires, Vieira, Djorkaeff oder Lizarazu. In Frankreich war der Mischmasch aus weißen und schwarzen Spielern einfach ganz normal. Es wurde eine wunderschöne Zeit für mich!

1991 bis 1994 bist Du als Nationalspieler für Dein Heimatland Ghana aufgelaufen. Wie wurdest Du empfangen?

ch hatte Ghana schon in meiner Kindheit ein paar Mal besucht, konnte das Land so aber noch mal neu entdecken. Ich kann mich noch an die Überschrift nach meiner Ankunft als Nationalspieler erinnern: "Anthony Baffoe has arrived - special bed for him!" Die haben mich wie einen Giganten beschrieben und zum ersten Training sind locker 10.000 Leute gekommen. Ich habe mich dann aber nach der ersten Nacht ganz schnell bei den anderen Spielern einquartiert, wollte keine Extra-Behandlung. Und die waren wohl auch alle ziemlich überrascht, dass ich meine Heimatsprache spreche. Beim Frühstück um 9 Uhr war ich allerdings der einzige Spieler, der pünktlich am Tisch saß (lacht). Das kannte ich halt so aus Deutschland.

1992 habt Ihr das Endspiel im Afrika-Cup erreicht und erst mit 11:10 im Elfmeterschießen verloren. Du musstest zweimal schießen, hast den ersten verwandelt und den entscheidenden verschossen. Wie hast Du das damals selbst erlebt?

Ich habe danach auf Englisch gesagt: "My soul was empty!" Es war ein minutenlanges Gefühl der Leere, das mich überfiel. Ich habe mir dann aber überlegt, dass es besser war, dass ich verschossen habe, als irgendein junger Spieler. Und der Fehlschuss hat mich in Afrika wohl sogar noch bekannter gemacht als vorher. Ich habe aber auch danach weiter Elfmeter geschossen - und verschossen (lacht). Ich verstehe es aber bis heute nicht: Den ersten hatte ich ja locker verwandelt. Lustigerweise hatten mich vorher noch Leute aus Ghana angerufen, dass ich schauen sollte, was der Torwart der Elfenbeinküste in seiner Tasche hat. Der hatte halt zuvor im ganzen Turnier kein Tor kassiert, und da denkt man in Afrika immer schnell an Voodoo.

Nationalspieler für Ghana

Was waren weitere unvergessliche Momente auf dem afrikanischen Kontinent?

Da passieren schon unglaubliche Dinge: Ein Voodoo-Priester hat mal zwei Mannschaften gesagt, dass diejenige verliert, die als erste auf dem Platz ist. Da sind dann jeweils nur zehn Spieler aufgelaufen, und der jeweilige elfte ist in der Kabine geblieben. Oder die haben ein geschlachtetes Schaf unter dem Mittelpunkt vergraben, weil das eine spirituelle Wirkung haben sollte. Was ich aber wirklich vermisse, sind die Momente mit der Nationalmannschaft: Drei Tage vor dem Spiel haben sich immer alle Spieler, egal ob Muslime oder Christen, zum Beten getroffen. Ich war damals schon sehr gläubig, aber das hat mich noch gläubiger gemacht. Wir haben da dann außerdem gospel-mäßig miteinander gesungen: Auch im Mannschaftsbus, auf dem Weg zum Stadion, haben wir gesungen, sogar im Stadion, um dem Gegner zu zeigen: "Wir sind da!" Das war alles schon sehr bewegend.

Deine Karriere hast Du zwischen 1997 und 1999 in Hongkong und Venezuela ausklingen lassen.

In Hongkong war ich mit meinen Dreadlocks in der U-Bahn jedes Mal die Sensation. Der Hongkong-Chinese bleibt aber lieber unter sich. Die Landung zwischen den Hochhäusern werde ich dafür nie vergessen. Und Venezuela war vor allem ein Land, das total korrupt ist. Man durfte auch nicht zu gut angezogen sein, weil man sonst verfolgt worden wäre. Ich habe aber in jedem Land auch nette Menschen kennen gelernt. Außerdem kann ich jetzt endlich auch Spanisch sprechen. Ich kann jedenfalls von mir sagen, auf jedem Kontinent gespielt zu haben, außer in Australien. Und die ganze Reiserei hat mich sehr selbständig gemacht.

Wie hat sich Dein Berufsleben nach der Fußballkarriere entwickelt?

Ich habe nach meiner Rückkehr aus Venezuela erstmal in London gelebt und ein bisschen gemodelt. Meine Schwester, die in der "Lindenstraße" spielt, hat zeitgleich in Deutschland den Namen hochgehalten. Dann suchte das DSF für ihr Fußball-Jugendmagazin "FuJuMa" einen Ex-Bundesligaspieler, der auch moderieren kann. Und da es schon immer mein Ding war, Fußball mit Lifestyle zu verbinden, habe ich dort angefangen. Mittlerweile hatten wir alle Stars aus der Bundesliga zu Gast, das reicht von Metzelder über Kurányi bis Frings. Ich mag einfach das Interviewen von Persönlichkeiten.

Unvergessliche Momente

Im Mai 2004 lief die 100. Sendung von "FuJuMa". Zum ersten Mal war kein Fußballer zu Gast, sondern Campino. Wie kam es zu dieser Konstellation?

Das ist ein bisschen auf meinem Mist gewachsen. Campino ist ja ein absoluter Fußball-Freak, als England- und Fortuna-Fan. Und ich habe echt Respekt vor dem, was er erreicht hat. Es war eine echte Ehre für mich. Und wir haben dann in der Sendung geplaudert, wie man es auch im Café tun würde. Es ist schön, dass er trotz seines Bekanntheitsgrades so normal geblieben ist. Ich habe ihn dann auch nach weiteren Plänen im Fußball gefragt, und er hat gesagt: "Natürlich lieben wir Fortuna, aber wir würden das auch für andere Klubs in unserer Stadt machen." Unser "Lattenschießen" im Stadion am Flinger Broich ging übrigens passenderweise bis zum bitteren Ende: Wir haben an dem Tag einfach beide nicht getroffen. Erst nach etwa 15, 20 Schüssen war es dann Campino, der endlich die Latte getroffen und gewonnen hat.